Selfcare für Musiker:innen

Selfcare-Tipps von Daniela Flickentanz

08. März 2022

Disclaimer:

Solltest Du Dich akut in Gefahr befinden, deine psychische Verfassung zu verlieren, Dich selbst oder andere zu gefährden, hole Dir bitte professionelle Hilfe. Dieser Artikel ist kein Ersatz für ein Gespräch mit einer Fachkraft. Weiter unten findest Du eine Website mit den Links zu Profis und kostenloser Soforthilfe in ganz Österreich.

Alles glitzert

Es ist unsere Aufgabe, Welten zu erschaffen, in die unser Publikum eintauchen, sich erholen, ja sich inspirieren lassen kann. Und das tun wir, Tag für Tag mit leuchtenden Augen. Wissend, dass es eine unglaubliche Gnade ist, dass wir unsere Berufung leben dürfen. Wir geben unser Bestes, egal, wie es rund um und hinter der Bühne aussieht. Egal, ob wir die Bezahlung bekommen, die uns zusteht, oder ob wir wieder nur für die Hand in den Mund musizieren. Unser Alltag ist bunt, alles glitzert. Jeder Tag ist anders und wir reagieren flexibel – seit zwei Jahren noch mehr als je zuvor. Viele von uns haben nicht nur die Arbeit auf der Bühne inne, sondern managen sich selbst. Und dann gibt es auch noch jene, die einen sogenannten „Brotberuf“ ausüben und ohnehin in einer dauerhaften strukturellen Überlastung leben.

Dabei kann es schnell passieren, dass wir vergessen, auf uns selbst aufzupassen und für uns selbst zu Sorgen. Im schlimmsten Fall brennen wir uns aus. Deshalb möchte ich diesen Blogartikel nutzen, um meine Erkenntnisse zum Thema Selfcare mit Euch zu teilen, um Euch anzuregen. Und natürlich auch mich selbst wieder zu erinnern. Es folgen eigene Erfahrungen, Impulsfragen und meine persönliche Conclusio. Dieser Artikel ist nicht wissenschaftlich erarbeitet, sondern ein Erfahrungsbericht.

Daniela Flickentanz, Sängerin und Songwriterin

Selfcare ist nicht das 100.ste To-Do

Was kann ich tun, um gut für mich zu sorgen?
Wie kann ich das tun?

Das sind meine persönlichen Leitfragen, wenn es um einen gesunden Umgang mit mir selbst geht. Es gibt ganz konkrete Tätigkeiten, mit denen ich mir selbst im Alltag Halt gebe und mich stärke. Dazu zählen: meine Morgenseiten, Bewegungseinheiten, Musik machen (ohne sie gleich zu verwerten), in Ruhe was frisch gekochtes Essen, einen Café trinken, Zeit mit mir alleine haben, medienfreie Zeit genießen und Zeit in der Natur. Wenn das alles aber zum 100. Punkt auf meiner To-Do–Liste wird und ich es nur noch aus Pflichtgefühl erledige, macht es auch nicht allzuviel Sinn. Es ist in meinen Augen daher wichtig, ein Bewusstsein darüber zu entwickeln, was ich brauche, was mir gut tut und dann situativ wirklich zu spüren: was brauche ich JETZT und WIE tut es mir am Besten?

Was tust Du, um gut für Dich zu sorgen?
Wie tust Du es?

Wochenende

Ich vergesse regelmäßig, mir freie Tage einzuteilen. Tage, an denen ich keine Termine habe, nichts erledigen will und mich einfach treiben lassen kann. Das, was gemeinhin „Wochenende“ heißt. Ja, da spiele ich oft. Deshalb ist die Zeit von Freitag Abend bis Sonntag Abend bei mir nicht frei. Aber bedeutet es dann, einfach die ganze Woche durchzuarbeiten?

Manchmal gelingt es mir, dass ich meine Wochen gut plane und 1-2 Tage „Wochenende“ einplane. Und wenn ich besonders gut drauf bin, schaffe ich es, mir nicht nur einen freien Tag, sondern auch einen Tag für Unvorhergesehenes zu reservieren. Das sind dann meist richtig erfolgreiche, produktive und zugleich glückliche Wochen.

Wie geht es Dir damit? Wann hast Du Deinen freien Tag? Mit wem könntest Du Dein Zeitmanagement reflektieren? Wen könntest Du beim Zeitmanagement unterstützen?

„Ja, da spiele ich oft. Deshalb ist die Zeit von Freitag Abend bis Sonntag Abend bei mir nicht frei. Aber bedeutet es dann, einfach die ganze Woche durchzuarbeiten?“

 

Es ist nicht alles rosarot

„Ich bin sehr traurig, wie die Lage sich entwickelt. Ich bin froh, dass ihr da seid.“ Das habe ich heute in unsere IGFM – Gruppe gepostet. Es war mir nicht bewusst, aber ab dem Zeitpunkt, an dem ich meine Gefühle geteilt habe und andere Menschen, die auch betroffen sind, ihre Sicht der Dinge preisgegeben haben, habe ich mich besser gefühlt. Was heißt, mich besser fühlen? In dem Fall heißt es nicht, dass die Traurigkeit weg war. Sie war nicht mehr unterdrückt, ich konnte sie aushalten, ich kann mit ihr sein. Weil ich heute wieder einmal mehr gespürt habe: Ich bin nicht allein.

Manchmal ist nicht alles rosarot. Aber: Du bist nicht allein!
 
Welche Gefühle erlebst Du als Belastung? Mit wem könntest Du diese teilen? Wer könnte Dich verstehen? Wem könntest Du Verständnis und ein offenes Ohr schenken?

Selfcare ist Community Care. Gemeinsam schaffen wir das. Wir geben und nehmen. Das schweißt uns zusammen. 

Schlafen gehen – eine erste Hilfe

Eine der wichtigsten Gesangsstunden in meinem Leben war jene, in der die Gesangstrainerin mich nach Hause geschickt hat mit den Worten: „Dein Körper ist müde. Du kannst so Deine Stimme nicht stützen und auch nichts üben. Wann kannst Du das nächste Mal einen ganzen Tag frei machen? Dieser Tag wird jetzt Dein Schlaftag. Da machst Du keine Termine. Stellst keinen Wecker. Du stehst nur auf, um Dir was zu Essen zu machen und aufs Klo zu gehen. Den Rest des Tages schläfst Du. Dein Handy und Dein Computer bleiben abgedreht.“

Ich konnte es kaum fassen, aber dieser Schlaftag war ein Gamechanger. Natürlich ersetzt er keinen Urlaub und macht auch Strukturprobleme nicht kleiner, aber er hilft mir, meine Batterien zwischendurch wieder aufzuladen und Leistungsfähig zu bleiben.

Was ist Deine erste Hilfe?

Selbstfürsorge ist ein politischer Akt

Nur, wer in seiner Kraft ist, kann sich für eine bessere Welt einsetzen. Deshalb begreife ich Selfcare als politischen Akt. Also lass uns öfter mal mit relaxen die Welt retten.

Professionelle Hilfe

Es gibt Momente, da können wir uns nicht mehr selbst helfen. Da brauchen wir professionelle Hilfe. Es ist keine Schande, sondern ein Zeichen von Größe und Selbstbewusstsein, wenn wir unsere eigenen Grenzen kennen und akzeptieren. Wenn wir das Schlimmste abwenden und um Hilfe bitten:

Psychosoziale Dienste nach Bundesländern:
https://www.gesundheit.gv.at/service/beratungsstellen/psychosozialer-dienst

Österreichweit:
Kriseninterventionszentrum
Tel. 01/4069595, Montag bis Freitag 10–17 Uhr
Ambulanz zur Bewältigung von akuten psychosozialen Krisen. Telefonische, persönliche, oder E-Mail-Beratung.
Online unter  www.kriseninterventionszentrum.at. 

Inspirationstipp: TED Talk von Amanda Palmer https://www.ted.com/talks/amanda_palmer_the_art_of_asking